Berlin, 03.06.2025. Die International Campaign for Tibet (ICT) appelliert mit Nachdruck an das UNESCO-Welterbekomitee, das „Historische Ensemble des Potala-Palastes“ in der tibetischen Hauptstadt Lhasa während seiner bevorstehenden 47. Sitzung im Juli 2025 in die UNESCO-Liste des gefährdeten Welterbes aufzunehmen. Dieser dringende Appell folgt auf die von den chinesischen Behörden über viele Jahre forcierte Sinisierung und das erkennbare Missmanagement der heiligsten kulturellen und religiösen Wahrzeichen Tibets, wie insbesondere des Jokhang-Tempels.
Die jüngste Kontroverse dreht sich um die Errichtung zweier großer Pavillons im chinesischen Bau-Stil zum angeblichen Schutz dreier Stelen direkt vor dem Jokhang-Tempel. Diese Pavillons verstoßen nicht nur gegen die UNESCO-Richtlinien, da sie ohne vorherige Ankündigung und ohne Denkmalschutzprüfung errichtet wurden. Sie behindern ferner auch religiöse Rituale, beeinträchtigen die historische Fassade des Tempels und zwingen der Stätte einen Baustil auf, der ihre Authentizität untergräbt. ICT beschreibt diese Entwicklung detailliert im Jahresbericht der Organisation World Heritage Watch, der am 1. Juni veröffentlicht wurde.
„China geriert sich als Hüter der Kultur Tibets, missachtet sie jedoch eklatant. Das macht sich fest an der menschenrechtswidrigen Assimilierungspolitik Pekings in Tibet und ganz konkret an der Verschandelung des Jokhang-Tempels. Die zwei Pavillons vor dem Tempel stehen nicht nur architektonisch im Widerspruch zum 1.300 Jahre alten Heiligtum der Tibeter, sondern beeinträchtigen auch die tibetisch-buddhistischen Praktiken und verdecken Inschriften, die Tibets historische Eigenständigkeit dokumentieren“, erklärte ICT-Geschäftsführer Kai Müller.
Sowohl die UNESCO als auch das Expertengremium ICOMOS haben wiederholt eine ordnungsgemäße Bewertung der Auswirkungen auf das Kulturerbe (HIA) und alternative Entwürfe gefordert. 2024 reichte China seine zweite HIA nachträglich ein, nachdem die erste rückwirkende HIA nicht den ICOMOS-Richtlinien entsprach. Die Zusammenfassung der HIA räumte die negativen visuellen Auswirkungen der Pavillons ein, erläuterte aber nicht, was die Behörden zur Schadensbegrenzung konkret unternehmen wollten. Der komplette Bericht ist öffentlich nicht zugänglich.
Darüber hinaus berichteten die chinesischen Behörden kürzlich über eine politische Indoktrinationskampagne gegen Mönche des Jokhang-Tempels. In einem Schreiben an die UNESCO forderte ICT die chinesischen Behörden auf, diese Maßnahmen unverzüglich einzustellen, da sie dem immateriellen Erbe und der Integrität der Stätte weiteren Schaden zufügen.
Der Jokhang-Tempel gehört zusammen mit dem Potala-Palast und Norbulingka zum UNESCO-Weltkulturerbe. Seit seiner Aufnahme in die Liste traten dort folgenden Probleme auf:
- Abriss historischer Gebäude;
- Sinisierung der Architektur, Ersetzung traditioneller tibetischer Bauweisen durch touristisch anmutende Fassaden;
- Unterdrückung immaterieller Kultur durch Massentourismus, Sicherheitskontrollen und Propagandabanner, die die Religionsausübung stören.
Aus Sicht von ICT verstoßen diese Entwicklungen massiv gegen die UNESCO-Leitlinien. Ebenso gefährden sie den außergewöhnlichen universellen Wert der Kulturstätte. Die Organisation fordert das Welterbekomitee daher auf, entschlossen zu handeln und die Stätte in die Liste des gefährdeten Welterbes aufzunehmen. Die lebendigen Traditionen der tibetischen Buddhisten und aller Tibeter sollten bewahrt und vor dem ständigen Massentourismus, der übermäßigen Sicherheitsinfrastruktur und Propagandabannern, die den heiligen Tempel und den heiligen Ort entweihen, geschützt werden.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.