Gletschersee-Ausbruch:
Flut reißt Grenzbrücke
und Kraftwerke mit
Foto: Felix Dance-CC-BY-2.0
Die „Freundschaftsbrücke“ (Foto) existiert nicht mehr. Die wichtigste Straßenverbindung zwischen Tibet und Nepal fiel ebenso einer enormen Flutwelle zum Opfer wie mehrere flussabwärts gelegene Wasserkraftwerke und weitere wertvolle Infrastruktur in der Grenzregion. Offenbar konnten sie den Naturgewalten nicht standhalten.
Die Sturzflut ist ein neuerlicher Beleg dafür, dass man in einer derart instabilen Hochgebirgsregion niemals die extremen äußeren Bedingungen außer Acht lassen sollte. Und damit wirft diese jüngste Katastrophe auch ein Schlaglicht auf die enormen Risiken für Mensch und Umwelt, die mit Chinas massivem Ausbau von Staudämmen in Tibet einhergeht.
Ursache der Flutwelle war offenbar der Ausbruch eines in Tibet gelegenen Gletschersees. Dessen Wassermassen stürzten daraufhin in den Fluss Suntoshi und strömten Richtung Nepal. Die dort lebenden Menschen seien von der Sturzflut überrascht worden. Vermutlich mehrere Dutzend von ihnen verloren bei der Katastrophe ihr Leben.
Gefährliche Gletscherseen: Zusammenhang mit Klimawandel
Offenbar hat die Zahl der Gletscherseen im Himalaja in den vergangenen Jahren zugenommen. Experten zufolge steht dies in Zusammenhang mit dem rapide voranschreitenden Klimawandel. Für die in der Region lebenden Menschen, aber auch für die Infrastruktur stellen sie ein enormes Risiko dar.
Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Gefahr von Erdbeben. So sagt etwa der Potsdamer Geomorphologe Dr. Wolfgang Schwanghart im Gespräch mit ICT: „Staudämme sind bei Erdbeben stets gefährdet.“
Der Himalaja ist eine seismisch aktive Region
Wie zutreffend diese Feststellung ist, zeigte sich zuletzt bei dem verheerenden Erdbeben, das Anfang Januar Südtibet erschütterte. Die Sturzflut in der Grenzregion zu Nepal ist somit bereits das zweite Naturereignis binnen weniger Monate, das dringende Fragen aufwirft hinsichtlich Pekings Staudammplänen.
Damals verloren nach offiziellen Angaben mindestens 126 Menschen ihr Leben, Hunderte wurden verletzt. So wirft das Beben vom 7. Januar ein Schlaglicht auf die Problematik von Chinas Staudammbauten in einer seismisch aktiven Hochgebirgsregion.
Ein Artikel der Nachrichtenagentur Reuters zitierte mehrere Experten, die vor den katastrophalen Folgen für Mensch und Natur warnten, falls künftige Beben zu Schäden an den Staudämmen führen sollten.
Dämme führen zu Vertreibung und Verlust von Kulturschätzen
Ein im Dezember veröffentlichter Bericht der International Campaign for Tibet beleuchtet neben dem Erdbebenrisiko noch weitere negative Aspekte von Chinas ungezügeltem Staudammbau in Tibet. Insgesamt zählt der Bericht 193 Staudämme in Tibet, wobei eine vermutlich bedeutende Anzahl von Staudämmen aufgrund der Abschottung Tibets gar nicht erfasst werden konnte.
Die Dämme führen zu massiven Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in Tibet, sie nutzen alleine China, das mit den Projekten seinen Energiehunger stillt. Durch den Bau Hunderter Staudämme und Wasserkraftwerke zerstört die chinesische Regierung unwiederbringlich tibetische Häuser, Dörfer und wertvolles Kulturgut, wie zum Beispiel jahrhundertealte buddhistische Klöster. Und nicht zuletzt droht durch den Staudammbau bis zu 1,2 Millionen Tibetern die Vertreibung aus ihrer Heimat.
20 tibetische Dörfer sollen neuem Staudamm weichen
Ein aktuelles Beispiel dafür findet sich gerade am Oberlauf des Gelben Flusses in den nordosttibetischen Präfekturen Golog und Tsolho. Wie die „Tibetan Review“ berichtet, sollen dort die Bewohner von 20 tibetischen Dörfern ihre angestammte Heimat verlassen, um einem neuen chinesischen Staudammprojekt zu weichen. Der neue Tsiha-Schlucht-Damm solle eine Dammkrone von 254 Metern Höhe erhalten und weite Bereiche überfluten.
Weiter flussabwärts von dem geplanten neuen Damm liegt liegt das Yangchu-Wasserkraftwerks, das im vergangenen Jahr in Betrieb ging. Der Bau des Yangchu-Staudamms führte zur Verwüstung einer ganzen Gemeinde, die sich um das religiöse Zentrum des Klosters Atsok gruppierte. Wo einst das Kloster stand, ist jetzt weit und breit nur noch Wasser zu sehen. Auch das nahegelegene Dorf Chorten sowie wertvolles Ackerland fielen dem Staudamm zum Opfer.
Der geplante Tsiha-Schlucht-Damm hätte noch weit gravierendere Auswirkungen. Auch hier wären neben den bereits erwähnten 20 Dörfern auch mehrere Klöster von Zerstörung bedroht.
