Stattdessen sollen sie
in den Winterferien
Chinesisch lernen
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Peking verschärft sein ohnehin schon rigides Vorgehen gegen die tibetische Sprache und Kultur. So verbieten die chinesischen Behörden tibetischen Schülern während der Winterschulferien privaten Unterricht in ihrer Muttersprache. Dies berichtet „Radio Free Asia“ (RFA) unter Berufung auf zwei mit der Situation vertraute Quellen.
Ausdrücklich verboten seien Nachhilfeunterricht oder Privatstunden in der tibetischen Sprache. Stattdessen seien die Schüler angewiesen worden, sich in den Ferien auf die Verbesserung ihrer Chinesisch-Kenntnisse zu konzentrieren, so die Quellen. Streng verboten sei generell jeglicher Unterricht, der über den staatlich genehmigten chinesischen Lehrplan hinausgehe.
In der nordosttibetischen Präfektur Golog etwa habe das Bildungsministerium der Provinz Qinghai spezielle Ferienaufgaben zur Verbesserung der Chinesisch-Kenntnisse ausgegeben. Diese verlangten von Eltern und Schülern unter anderem sogar, gemeinsam Xi Jinpings Ideologie zu studieren.
Verbot religiöser Aktivitäten für Kinder und Jugendliche
In einigen Gebieten hätten die chinesischen Behörden den Kindern während der zweimonatigen Winterpause explizit das Tragen religiöser Symbole oder die Teilnahme an religiösen Aktivitäten untersagt. Eltern sei es verboten, ihre Kinder während der Ferien in Klöster zu bringen oder sie an religiösen Aktivitäten teilnehmen zu lassen.
Schon im Jahr 2021 hatten die chinesischen Behörden in verschiedenen tibetischen Gebieten tibetischen Kindern erstmalig verboten, während der Winterferien an informellen Kursen oder Workshops in tibetischer Sprache teilzunehmen.
Im vergangenen Winter dann begannen die Behörden damit, die Einhaltung des Verbots stichprobenartig zu überprüfen. Wie damals bekannt wurde, führten sie sogar Umfragen unter den tibetischen Kindern durch, um herauszufinden, welche Fächer ihnen in ihren außerschulischen Kursen beigebracht werden und wo.
Offenkundig sind die neuen Restriktionen Teil von Pekings Versuch, die eigenständige kulturelle, religiöse und nationale Identität der Tibeter zu zerstören. Diese soll komplett ausgelöscht, Tibeter zu Chinesen gemacht werden.
Wird Tibetisch aus den Aufnahmeprüfungen für Hochschulen gestrichen?
Dazu passt ein Bericht der tibetischen Exilregierung in Dharamsala über die mögliche Streichung der tibetischen Sprache aus den Aufnahmeprüfungen der Universitäten, was unter tibetischen Studenten, Künstlern und Pädagogen große Besorgnis ausgelöst habe. Bislang handele es sich dabei nur um Beiträge in den sozialen Medien aus Tibet, so der Artikel. Dass noch keine offiziellen Erklärungen dazu vorlägen, dürfe die Tibeter jedoch keineswegs in falscher Sicherheit wiegen.
Denn die Autoren erkennen im Vorgehen der chinesischen Machthaber einen „bemerkenswert strategischen“ Ansatz, den öffentlichen Diskurs zu diesem Thema zu kontrollieren. Bereits in der Vergangenheit hätten die chinesischen Behörden die sozialen Medien genutzt, um die Reaktion der Öffentlichkeit zu testen, bevor sie kontroverse Maßnahmen einführten. In der Folge sei es dann häufig zur Unterdrückung abweichender Stimmen durch Verhaftungen und Einschüchterung der Wortführer gekommen.
Erkennbar sei Pekings methodisches Vorgehen, um den tibetischen Sprachunterricht durch verschiedene Mechanismen abzuschaffen. So umreiße ein kürzlich veröffentlichtes Weißbuch der chinesischen Regierung „strategische Aufgaben“ in Tibet und betone die „nationale Einheit Chinas“ gegenüber der ethnischen Identität. Die traditionelle tibetische Sprache, Kultur und Identität solle durch eine verstärkte Kontrolle über das Bildungswesen, die religiösen Einrichtungen und das tägliche Leben geschwächt werden. Ausdrücklich sei nun in offiziellen Dokumenten von Assimilation die Rede.
Die systematischen Bemühungen Pekings, das Tibetische aus den Bildungseinrichtungen zu entfernen, könnte eine „zweite Kulturrevolution“ in Tibet auslösen, so der Bericht der tibetischen Exilregierung. Eine ähnliche Einschätzung war bereits in einem Blogbeitrag von ICT über eine „neue Kulturrevolution in Tibet“ geäußert worden, die weit über den Bereich von Sprach- und Bildungspolitik hinausreiche und alle Lebensbereiche erfasse.
Bildungsauftrag: „Liebe zur Partei und zum Land“
Den Stellenwert der Bildung für die chinesischen Machthaber unterstrich eine regionale Konferenz in Lhasa, die kurz vor Weihnachten abgehalten wurde. In den Berichten der chinesischen Propagandamedien nahmen die Ausführungen von Wang Junzheng den meisten Raum ein. Als KP-Sekretär ist Wang Pekings höchster Vertreter in der sogenannten Autonomen Region Tibet (TAR), die ungefähr die Hälfte Tibets umfasst. Weitere Teile des Landes wurden bereits vor Jahrzehnten als vorgeblich autonome Präfekturen und Landkreise den chinesischen Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan zugeschlagen.
Pflichtschuldig verwendet KP-Sekretär Wang die beiden ersten Absätze seiner Rede darauf, die „wichtigen Anweisungen des Generalsekretärs Xi Jinping zur Bildung“ zu unterstreichen. Mehr als ein halbes Dutzend Mal zitiert Wang Junzheng den Namen des obersten KP-Führers, dessen „Gedanken“ man ernsthaft studieren müsse. Im Anschluss daran zollt der KP-Sekretär der TAR den „Lehrern und Bildungsarbeitern, die seit langem an der Bildungsfront kämpfen, großen Respekt“.
Ziel ist die „langfristige Herrschaft der Partei in Tibet“
Wang macht keinen Hehl daraus, welchem Ziel sich die Bildungsarbeit unterordnen soll. Es geht um nichts Geringeres als „die langfristige Herrschaft der Partei in Tibet“. Dafür gelte es, „sich sowohl um den Magen als auch um den Verstand zu kümmern“. Der Bildungsauftrag für die „ideologische und politische Erziehung der jungen Menschen“ lautet auf „Liebe zur Partei und zum Land“, wie es in der Sprache der KP-Propaganda heißt.
Die Wünsche und Vorstellungen der jungen Tibeter selbst spielen bei all dem selbstverständlich keine Rolle. In allen Fällen bestimmen die kommunistischen Machthaber aus Peking, was die Tibeter lernen sollen, wie sie zu denken und sich zu äußern haben. Widerspruch wird nicht akzeptiert. Dies zeigte sich zuletzt etwa in der osttibetischen Präfektur Ngaba, wo hunderte junge Mönche unter „gefängnisähnlichen Bedingungen“ in chinesischen Internatsschulen festgehalten wurden.