Chinesische Behörden
verbieten sogar Online-
Gebetsversammlungen
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Im Zuge ihrer Kampagne zur zwangsweisen Assimilierung der Tibeter haben die chinesischen Behörden nun offenbar ihr Vorgehen gegen sichtbare religiöse Symbole verschärft. Wie „Radio Free Asia“ (RFA) unter Berufung auf tibetische Quellen berichtet, wurden die Bewohner von vier osttibetischen Dörfern gezwungen, Gebetsfahnen von den Außenwänden und Dächern ihrer Häuser zu entfernen. Seit Anfang Juli hätten die chinesischen Behörden dort alle Häuser abgesucht, so die Quellen.
Die chinesischen Behörden hätten es neben Gebetsfahnen auch auf fest installierte Konstruktionen zum Abbrennen von auf Tibetisch als Sang-Sol bezeichneten Rauchopfergaben abgesehen. Typischerweise stehen diese vor den Häusern und sind mit Schornsteinen ausgestattet. Die Tibeter opfern Sang-sol, um damit wichtige religiöse und persönliche Ereignisse in ihrem Leben zu feiern. Tibeter in benachbarten Regionen befürchteten nun ein ähnlich rigides Vorgehen der chinesischen Behörden. Erst vor zwei Jahren waren im osttibetischen Serthar fünf Tibeter verhaftet und gefoltert worden, weil sie öffentlich gebetet und Räucherwerk abgebrannt hatten. Einer der fünf Männer soll dabei getötet worden sein.
Selbst Online-Gebetsversammlungen seien Tibetern in weiten Teilen Osttibets nun verboten. Einzelpersonen, die solche Gebetsversammlungen initiiert hatten, seien von den chinesischen Behörden zu Verhören vorgeladen worden, so eine der Quellen von RFA.
Gebetsfahnen sind Ausdruck von Tibets kulturellem und religiösem Erbe
Gebetsfahnen haben eine große kulturelle und spirituelle Bedeutung für die tibetische Gemeinschaft. Sie werden häufig an markanten Punkten wie Berggipfeln oder Pässen bis zur vollständigen Verwitterung dem Wind ausgesetzt; auf diese Weise sollen die Gebete dem Himmel zugetragen werden.
In den vergangenen Jahren haben die chinesischen Behörden bereits mehrfach die Zerstörung von Gebetsfahnen angeordnet. So etwa im südlich von Tibets Hauptstadt Lhasa gelegenen Landkreis Gonggar, wo die Behörden eine größere Ansammlung von Gebetsfahnen abreißen ließen.
Und im Sommer 2020 zwangen die Behörden der nordosttibetischen Präfektur Golog und des Landkreises Tengchen die Menschen dazu, ihre Gebetsfahnen gleich selbst zu zerstören. Behördenvertreter und Polizisten riefen die Bevölkerung zusammen und ordneten eine sogenannte „Umweltsäuberungsaktion“ an. In der Folge mussten die Tibeter unter Anleitung der Polizei die Gebetsfahnen in ihren Dörfern und auf Bergspitzen entfernen. Selbst die Pfähle, an denen die Gebetsfahnen befestigt waren, mussten beseitigt werden.
„Sinisierung“ Tibets ist systematisch organisiert
Das Vorgehen der chinesischen Behörden gegen tibetische religiöse Symbole kommt nicht aus heiterem Himmel, sondern wird von höchster Ebene systematisch organisiert. Wie nebenbei wird dabei auch die zentralistische Struktur des chinesischen KP-Staates sichtbar. So berichteten die staatlichen Propagandamedien kürzlich über zwei Veranstaltungen, bei denen Parteimitglieder auf den von KP-Chef Xi Jinping höchstpersönlich formulierten „Sinisierungs“-Kurs eingeschworen werden sollten.
Zum einen handelte es sich um ein gemeinsames Seminar des Parteikomitees der osttibetischen Präfektur Kardze in Zusammenarbeit mit der Propagandaabteilung für sogenannte „ethnische Parteikader“, womit vermutlich vor allem Tibeter gemeint gewesen sein dürften. Dem Bericht vom 26. Juli zufolge sei es dabei um „das Erlernen und die Umsetzung von Xi Jinpings Kulturideologie“ gegangen, ein neuer Ausdruck, der bislang nicht verwendet worden war. Das Treffen, an dem Teilnehmer aus allen 18 Landkreisen von Kardze teilnahmen, fand in der „Schule für ethnische Parteikader“ der osttibetischen Stadt Dartsedo statt. Die Teilnehmer wurden aufgefordert, „‘Experten‘ für Propaganda, ideologische und kulturelle Arbeit“ zu werden.
Kurz zuvor hatte im südwestlich von Lhasa gelegenen Landkreis Chushur ein Trainingskurs für „junge Parteimitglieder und Kader“ stattgefunden, der sich direkt an die sogenannte „Graswurzelebene“ richtete. Inhaltlich ging es ebenfalls um die Vorgaben des KP-Generalsekretärs, konkret etwa um Xi Jinpings „neue Ära des sozialistischen Denkens mit chinesischen Merkmalen“, Xi Jinpings „Gedanken zur ökologischen Zivilisation“ sowie um seine „kulturellen Gedanken“.
Insgesamt 56 Personen hätten an der Schulung teilgenommen, darunter Mitarbeiter von Basisorganisationen der Kommunistischen Partei, von Gemeinden, dem Landkreis, den sogenannten Klosterverwaltungskomitees und von Polizeistationen.