«Sinisierungs»-Kampagne
setzt verstärkt auf den
kulturellen Bereich
Quelle: pinglun.youth.cn
Pekings „Sinisierungs“-Kampagne setzt in Tibet offenbar verstärkt auf den kulturellen Bereich. So berichteten die chinesischen Propagandamedien über ein großangelegtes Seminar zu „Xi Jinpings Kultur-Ideologie“ in der osttibetischen Präfektur Kardze. Das Staatliche Parteikomitees führte das präfekturweite Seminar am 24. Juli in der Staatlichen Volkskaderschule von Dartsedo (chin.: Kangding) durch. Wie es heißt, hätten Vertreter aus allen 18 Landkreisen von Kardze daran teilgenommen.
Zuvor hatten derartige Seminare zu „Xi Jinpings Kultur-Ideologie“ nur in einzelnen Landkreisen der sogenannten Autonomen Region Tibet (TAR) stattgefunden, der von Peking willkürlich definierten Gebietseinheit auf etwa der Hälfte der Landesfläche Tibets. Es steht zu erwarten, dass diese neueste Variante der chinesischen „Sinisierungs“-Kampagne künftig auf alle Teile des Landes ausgeweitet wird.
Für die Tibeter sind dies keine guten Nachrichten. Denn im Kern steht „Sinisierung“ für einen Frontalangriff auf die tibetische Sprache, Religion und Kultur. Dies bedeutet, dass insbesondere die jungen Tibeter sich in erster Linie als Chinesen verstehen und auf Chinesisch ausdrücken sollen. Und zugleich soll sich der Buddhismus in Tibet mit all seinen Institutionen ganz in den Dienst der KP-Herrschaft stellen.
„Neue Ära der Propaganda“
Bei der Eröffnungszeremonie wurde betont, dass die Teilnehmer „Xi Jinpings Kultur-Ideologie“ „politisch fest verankern, eingehend studieren und umsetzen“ sollten. Es gelte, „eine neue Ära der Propaganda sowie der ideologischen und kulturellen Arbeit“ einzuläuten. Die Teilnehmer sollten danach streben, neue Horizonte zu eröffnen und auf den Gebieten Propaganda, Ideologie und Kultur Experten zu werden, so die Formulierung der chinesischen Staatsmedien.
Dieses „spezielle Seminar“ ziele darauf ab, „Xi Jinpings Kultur-Ideologie“ zu vertiefen und zu verstehen sowie „den Geist der dritten Plenarsitzung des 20. Parteitags ernsthaft zu studieren und umzusetzen“. Die Teilnehmer sollten lernen, die „neue kulturelle Mission“ besser zu schultern und die „Propaganda sowie die ideologische und kulturelle Arbeit“ des gesamten Staates auf ein neues Niveau zu heben.
„Xi Jinpings Kultur-Ideologie“ wurde Ende 2023 eingeführt
Seit einigen Monaten finden sich Erläuterungen zu „Xi Jinpings Kultur-Ideologie“ auf zahlreichen Webseiten der Kommunistischen Partei Chinas und der von der KP dominierten staatlichen Stellen. Das neue Konzept, das wahlweise auch mit „Xi Jinpings kultureller Gedanke“ übersetzt wird, wurde im Oktober 2023 formell vorgestellt und soll „eine neue Ebene des Verständnisses der Partei für die Tiefenstruktur der sozialistischen Kultur und ihre Aufbaugesetze“ markieren, wie es an einer Stelle beispielhaft heißt.
Augenscheinlich versuchen die Strategen der KP damit, „die kulturelle Soft Power des Landes und die Attraktivität seiner Kultur“ zu stärken. „Xi Jinpings Kultur-Ideologie“ sei von immenser Bedeutung für das „Streben nach einem stärkeren China und die Verwirklichung der nationalen Wiederbelebung“. So jedenfalls formuliert es die deutschsprachige Auslands-Propagandaseite „Theorie Chinas“.
Dafür sei es unerlässlich, „auf einer Grundlage stärkeren kulturellen Vertrauens aufzubauen, die internationalen Öffentlichkeitsarbeiten zu stärken und die kulturelle Innovation und Kreativität der gesamten Nation voll zu entfalten“. Oder, mit den Worten von Xi Jinping: „Ohne volles Vertrauen in unsere Kultur, ohne eine reiche und blühende Kultur, wird die chinesische Nation nicht in der Lage sein, sich selbst wiederzubeleben.“
Was sich in der Traumwelt der chinesischen KP-Propaganda wie ein schlüssiges Konzept anhören soll, muss indes notwendigerweise an der Realität scheitern. Bisher hat noch keine Diktatur eine „reiche und blühende Kultur“ hervorgebracht; Zwang und kulturelle Entfaltung schließen sich aus. Und fast schon unfreiwillig komisch mutet der Verweis auf Soft Power an, schöpft diese doch ihre Attraktivität gerade aus der Abwesenheit von äußerem Druck und der Freiheit der persönlichen Entfaltung. Im kommunistischen China aber führt diese geradewegs ins Gefängnis.