Tibetische Delegierte
sollen Bild scheinbarer
Harmonie vorgaukeln

 

Quelle: tibet.cn

Wie die Werbeindustrie setzt auch die chinesische Propaganda auf konstante Wiederholung sich stets ähnelnder Bilder und Botschaften. Und so konnte es nicht überraschen, wie die KP-Medien zu Beginn des Nationalen Volkskongresses (NVK) über die Ankunft der tibetischen Delegierten in Peking berichteten.

Wie jedes Jahr erschienen da Fotos von Männern und Frauen, die – selbstverständlich traditionell gekleidet – aus dem Flugzeug stiegen oder im Bus am Eingang zur Verbotenen Stadt vorbeigefahren wurden. Nicht anders als Touristen auf einer Gruppenreise wirken die zu Chinas Scheinparlament und der parallel tagenden „Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes“ (PKKCV) entsandten tibetischen Delegierten.

Tibetische Delegierte passieren den Eingang zur Verbotenen Stadt. (Quelle: tibet3.com)

Und in gewisser Weise sind sie das auch, sie haben eine Pauschalreise zu den „Zwei Tagungen“ gebucht. Doch umsonst ist der gesponsorte Trip nach Peking für die angeblichen Vertreter des tibetischen Volkes keineswegs. Der Preis, den sie entrichten müssen, besteht darin, eine Rolle zu spielen.

Unbedingte Loyalität

Das Drehbuch dafür hat die KP geschrieben, es besteht im Wesentlichen darin, unbedingte Loyalität gegenüber der Führung zu zeigen. Die handverlesenen Delegierten der „Zwei Tagungen“ wissen genau, was von ihnen erwartet wird. Daher stimmen die insgesamt gut 5.000 nach Peking entsandten angeblichen Volksvertreter allen Vorlagen auch stets zu fast 100 Prozent zu.

Neben den Fototerminen bei ihrer Ankunft und während der Tagungen müssen die Delegierten indes noch weitere Aufgaben erfüllen. Eine davon besteht in der Teilnahme an speziellen Zusammenkünften der Vertreter ihrer jeweiligen Region. So berichteten die chinesischen Staatsmedien umfänglich über ein Treffen der tibetischen NVK-Delegierten, an dem der chinesische Spitzenfunktionär Zhang Guoqing teilnahm.

Dawa Dhondup, ein tibetisches Mitglied des Nationalen Komitees der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes, im Interview mit den chinesischen Staatsmedien. Quelle: tibet.cn)

Zhang ist Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und Vizepremier des Staatsrats. In seiner Ansprache bekräftigte er die harte Linie der Partei in Tibet. Man sei auf dem richtigen Weg, deshalb unterstütze er den Bericht über die Arbeit der Regierung „voll und ganz“, so Zhang.

Offenbar kann im China von heute auch ein Politbüro-Mitglied nicht darauf verzichten, den obersten Führer zu preisen. So unterstrich Zhang Guoqing auch die wichtige Rolle der „Führung und Lenkung durch Generalsekretär Xi Jinping“ sowie „die wissenschaftliche Anleitung von Xi Jinping zum Gedanken des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen“.

Delegierte aus Tibet zeichnen ein „Bild der Harmonie und des Glücks“

Die chinesischen Propagandamedien legten während der „Zwei Tagungen“ einmal mehr großen Wert darauf, die Entwicklung in Tibet in ein positives Licht zu rücken. Der ihnen zugedachten Rolle entsprechend zeichneten die tibetischen Delegierten denn auch ein „Bild der Harmonie und des Glücks“: „Heutzutage sind Glück, Frieden, Harmonie und Einheit das wahrhaftigste Abbild des Lebens aller ethnischen Gruppen in Tibet“, lautet eine der besonders euphorischen Phrasen in dem Artikel. Die Abgeordneten seien davon „tief berührt“ gewesen.

Es folgen längere Ausführungen einzelner Delegierter, in denen sie die Lage in ihrer jeweiligen Heimatregion in den wärmsten Farben schildern. Angesichts des Umstands, dass sie selbst als Funktionäre an der geschilderten Entwicklung beteiligt waren, können solche Wortmeldungen nicht wirklich überraschen. Offenbar sind die „Zwei Tagungen“ auch ein guter Ort, um Wasser auf die eigenen Mühlen zu lenken. Und dies umso mehr, wenn Reporter anwesend sind.

Neben den Vertretern der der staatlichen Propagandamedien hätten auch Journalisten von Reuters, AFP und BBC an einer „offenen Gruppenveranstaltung“ der tibetischen Delegation teilgenommen. Stolz vermelden die Staatsmedien die Anwesenheit von „mehr als 90 Journalisten von fast 60 chinesischen und ausländischen Medien“.

KP-Inszenierung der Realität in Tibet

Bevor die „mit Spannung erwartete Frage-und-Antwort-Runde mit Reportern“ beginnen konnte, setzte ein hoher Funktionär den Ton. Wang Junzheng, KP-Sekretär der sogenannten Autonomen Region Tibet (TAR), die gut die Hälfte Tibets umfasst, eröffnete die „Pressekonferenz“ mit einer Ansprache. Es folgte eine wohlvorbereitete Inszenierung der angeblichen Realität in Tibet entsprechend der KP-Propaganda.

Zwar konnte man offenbar doch nicht gänzlich darauf verzichten, auf das verheerende Erdbeben einzugehen, das am 7. Januar den Süden von Tibet erschüttert hatte, doch konzentrierte man sich auf den Blick nach vorne.

La Qiong, Delegierter der PKKCV bei der Pressekonferenz. (Quelle: tibet.cn)

Wang Fanghong, Abgeordneter des Nationalen Volkskongresses und Bürgermeister des besonders stark betroffenen Bezirks Shigatse, versprach, dass „alle Menschen noch vor Ende Oktober in sichere und komfortable neue Häuser einziehen und sich ein schönes neues Zuhause bauen“ könnten. Der Wiederaufbau nach der Katastrophe verlaufe zügig, die Menschen hätten eine sichere Lebensgrundlage. Angesichts der notorischen Intransparenz der chinesischen Machthaber sind allerdings Zweifel daran angebracht.

Staudamm-Risiken bleiben unerwähnt

Und selbstverständlich versäumte Wang zu Beginn seiner Ausführungen auch nicht, darauf hinzuweisen, man behalte „stets die ernsten Anweisungen von Generalsekretär Xi Jinping im Hinterkopf“. Unerwähnt blieben hingegen die enormen Risiken, die insbesondere mit dem Bau zahlreicher Mega-Staudämme in Tibet einhergehen.

So musste Peking, wenn auch erst mit erheblicher Verspätung und nach anfänglichem Leugnen, zugeben, dass am 7. Januar auch mehrere Dämme beschädigt worden sind. Ein Video des chinesischen Propagandasenders CCTV zeigt etwa eine chinesische Journalistin auf der Dammkrone eines Stausees im Erdbebengebiet. In ihrer Reportage ist ein teils mehrere Meter tiefer Riss über die gesamte Länge des Damms zu sehen.

Abschließendes Gruppenbild vor der Großen Halle des Volkes: Nach Peking entsandte Delegierte der PKKCV. (Quelle: tibet.cn)

Derartige Probleme hätten das von den KP-Oberen behauptete Idealbild ihres Wirkens in Tibet stören können. Und so konzentrierten sich die abschließenden Berichte von den „Zwei Tagungen“ lieber auf Marketing für die dort abgesegneten Pläne der Partei. Die Delegierten erklärten, „die Erwartungen der Bevölkerung auf ein besseres Leben und ihre tatsächlichen Sorgen genau zu verfolgen“.

Man strebe danach, den im Herbst bevorstehenden 60. Jahrestag der Gründung der TAR „mit noch besseren Ergebnissen begrüßen zu können“. Unfreiwillig komisch mutet das Ende des Artikels an: „In der warmen Frühlingssonne gingen die Mitglieder der PKKCV zügig und voller guter Laune voran, um das schöne Bild der Modernisierung im chinesischen Stil zu verwirklichen.“

Peking signalisiert noch härtere Religionspolitik

Während der „Zwei Tagungen“ wurde deutlich, dass die chinesischen Machthaber ihre Religionspolitik weiter verschärfen wollen. So rief laut einem Bericht der „Tibetan Review“ einer der höchsten Funktionäre der chinesischen KP dazu auf, die „gesetzesbasierte Verwaltung religiöser Angelegenheiten“ sicherzustellen.

Es handelte sich dabei um keinen Geringeren als Wang Huning, die Nummer 4 der KP und Mitglied im siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros. Wang, der auch der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes vorsitzt, sagte demnach, es gelte dafür zu sorgen, dass religiöse Aktivitäten „legal, sicher und ordentlich“ seien. Was sich so harmlos anhört, bedeutet nichts anderes als die völlige Unterwerfung der Religion unter die kommunistische Staatsideologie.

Spitzenfunktionär Wang Huning (Mi.) strebt nach der völligen Unterwerfung der Religion unter die kommunistische Staatsideologie. (Quelle: cppcc.gov.cn)

Dem Bericht zufolge habe auch Premierminister Li Qiang die Notwendigkeit unterstrichen, „die Rechtsstaatlichkeit bei der Verwaltung religiöser Angelegenheiten zu stärken“. Die Aussagen von Wang und Li belegen einmal mehr die Taktik der chinesischen KP, Begriffe wie Demokratie, Legalität und Rechtsstaat in komplettem Widerspruch zu ihrem eigentlichen Sinngehalt zu verwenden.

Gesetze als Werkzeuge der Unterdrückung

Denn im Herrschaftsbereich der chinesischen Machthaber gibt es keinen Rechtsstaat. Es gibt auch weder unabhängige Gerichte noch Gesetze, die dem Grundgedanken der Gerechtigkeit verpflichtet wären. Stattdessen dienen Chinas Gesetze dazu, jede Form der Kritik an der allumfassenden Herrschaft der Kommunistischen Partei zu kriminalisieren.

Pekings Religionspolitik liefert dafür zahlreiche Beispiele. So gibt es sogar Gesetze, die der atheistischen KP das Recht einräumen, über die Reinkarnation tibetischer Lamas, einschließlich des Dalai Lama, zu entscheiden. Die kürzlich in Kraft getretenen „Maßnahmen für die Verwaltung tibetisch-buddhistischer Tempel“ erlauben es der KP, ihre Kontrolle des tibetischen Buddhismus weiter zu verschärfen.

Pekings Gesetze sind somit wichtige Werkzeuge der Unterdrückung und treiben die „Sinisierung des tibetischen Buddhismus“ weiter voran. Letztlich zielen sie auf die völlige Transformation des tibetischen Buddhismus im Rahmen von Chinas zweiter Kulturrevolution in Tibet.

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