Perfide Umsetzung
von Xi Jinpings
Kultur-Ideologie
Quelle: CCTV
Vordergründig unpolitisch kommt sie daher, die in Tibet spielende chinesische Fernsehserie „Stadt des Sonnenscheins“; in Wahrheit jedoch ist sie das exakte Gegenteil: Tatsächlich steckt die Unterhaltungsserie voller subtiler und weniger subtiler Propaganda-Botschaften.
An der Oberfläche folgen die Zuschauer den Schicksalen mehrerer junger Menschen, die versuchen, ihren Weg im Leben zu finden. Im Mittelpunkt stehen Themen wie Liebe und Berufswahl sowie die Probleme, die sich aus den gegenläufigen Erwartungen der Elterngeneration ergeben.
Pekings Traum- und Zerrbild von Tibet „beleuchte das moderne Leben in Lhasa“, heißt es in einem längeren Artikel des englischsprachigen KP-Blatts „China Daily“: „Stadt des Sonnenscheins“ versuche, „das moderne städtische Leben in Lhasa anhand der Geschichten junger Menschen und ihrer Lebens- und Berufswahl sowie ihrer emotionalen Entscheidungen einem breiteren Publikum näher zu bringen“.
Exzellente Einschaltquoten und Tourismuswerbung
Offenbar mit Erfolg. Die zur Hauptsendezeit auf dem wichtigsten chinesischen Fernsehkanal CCTV-1 ausgestrahlte Serie habe laut „China Daily“ an acht aufeinanderfolgenden Tagen die höchsten Einschaltquoten erzielt.
Der Titel der Serie ist übrigens eine Anspielung auf Tibets Hauptstadt Lhasa, die mit ihren mehr als 3.000 Sonnenstunden im Jahr auch als „Stadt des Sonnenscheins“ bekannt sei. Folgerichtig scheint in den 21 Episoden der Serie auch praktisch immer die Sonne aus einem azurblauen Himmel.
Das darf nicht verwundern. Denn „Stadt des Sonnenscheins“ verfolgt auch das Ziel, noch mehr chinesische Touristen für einen Urlaub auf dem „Dach der Welt“ zu begeistern. Die Popularität der Serie habe in Lhasa schon zwei Wochen nach ihrem Start zu einer neuen Welle des „Kulturtourismusfiebers“ geführt, berichtet der staatliche Fernsehsender CCTV.
Das Lhasa der Serie hat mit dem echten Lhasa nicht viel gemein
Die massiven Einschränkungen, denen die Tibeter im täglichen Leben unterworfen sind, die allgegenwärtige Überwachung und die massive Polizeipräsenz haben selbstverständlich keinen Platz in der Serie. Pikanterweise startet die Serie ausgerechnet mit dem ersten Tag des Shoton-Festes. Doch weit und breit ist kein einziger Polizist zu sehen.
Dabei wurden gerade in diesem Jahr zu Beginn des Shoton-Festes am 4. August drastisch verschärfte Überwachungsmaßnahmen aus Lhasa berichtet. Shoton, auch als Joghurtfest bekannt, geht in der Regel mit der Enthüllung eines 500 Quadratmeter großen Thangka-Gemäldes, Aufführungen tibetischer Opern und großen Picknicks einher. Es ist ein Fest der tibetisch-buddhistischen Kultur.
Gerade der buddhistische Aspekt des Ganzen tritt in der Serie aber vollkommen in den Hintergrund. Was bleibt, ist bunte Folklore, sind attraktive Bilder für die Kameras chinesischer Touristen, ist ein Tibet als exotischer Farbtupfer. Das Lhasa der Serie hat mit dem echten Lhasa, wie es die Tibeter erleben, offenkundig nicht viel gemein.
Die Besatzungsherrschaft der chinesischen KP verkörpert in „Stadt des Sonnenscheins“ allein der grundsympathische chinesische Funktionär Xu Shaojie. „Sekretär Xu“ kümmert sich so hingebungsvoll noch um die kleinsten Probleme der Bewohner des Stadtviertels, dass er allen ans Herz wächst. Da kann es nicht verwundern, dass der hübschen Tibeterin Cho Dzong (Foto oben) nichts anderes übrig bleibt, als sich in diesen Traum eines Schwiegersohns aus der ostchinesischen Provinz Shandong zu verlieben.
Ein Tibet, wie es sich Pekings Propaganda wünscht
Gewiss nicht ohne Grund fiel der Start der Serie mit dem chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober zusammen, an dem die KP der Gründung der kommunistischen Volksrepublik gedenken lässt. Denn letztlich handelt es sich bei „Stadt des Sonnenscheins“ um die perfekte Umsetzung von „Xi Jinpings Kultur-Ideologie“, einem zentralen Bestandteil von Chinas neuer Kulturrevolution in Tibet.
Die Serie zeigt das Bild eines Tibet, wie es sich die Pekinger Propaganda wünscht. Die von der KP vorangetriebene systematische und langfristig orientierte „Sinisierung“ der Tibeter hat in der Traumwelt von „Stadt des Sonnenscheins“ bereits freiwillig stattgefunden. Es braucht nicht den Zwang, mit dem die Assimilierung der Tibeter in Wahrheit vorangetrieben werden soll. Übrig bleibt ein Tibet ohne Konflikte, ein Tibet, das sich selbst als untrennbaren Bestandteil des Mutterlands China sieht.
Es ist ein Zerrbild von Tibet, das deutlich macht, wie perfide Pekings Propaganda arbeitet.
* Alle 21 Folgen von „Stadt des Sonnenscheins“ sind derzeit (Stand 13. November) mit englischen Untertiteln im Internet abrufbar. Es empfiehlt sich der Einsatz eines Werbeblockers.