«Weißbuch» zu Tibet
verschweigt gravierende
Umweltprobleme
Quelle: Screenshot Xinhua

Tibet ist ein wahres Paradies auf Erden, in dem die Menschenrechte vollumfänglich gewährleistet sind. Und das verdanken die Tibeter allein der chinesischen Kommunistischen Partei. Das zumindest wollen die KP-Machthaber die Leser ihres neuen „Weißbuchs“ zu Tibet glauben machen, welches der chinesische Staatsrat Ende März herausgebracht hat.
Der im nordindischen Dharamsala erscheinenden „Tibetan Review“ zufolge handelt es sich bei dem aktuellen Weißbuch bereits um das 18. Exemplar seiner Art. In acht Hauptkapiteln zeichne es ein „leuchtendes Bild“ der Lage in der sogenannten „Autonomen Region Tibet“ (TAR), die etwa die Hälfte der Fläche Tibets umfasst. Allerdings vermeide es das Weißbuch, „auf die Vielzahl problematischer Fragen einzugehen“, die etwa im UN-Menschenrechtsrat immer wieder thematisiert würden.
Propagandanarrative überwölben selbst das Umweltthema
Dies gilt nicht zuletzt für das Kapitel zur Lage der Umwelt. Die staatlichen Propagandisten geizen nicht mit großen Worten für Pekings angebliche Erfolge beim Schutz der Umwelt, dem man „immer Priorität eingeräumt“ habe. Der Erhalt der Ökologie des Hochlands von Tibet sei „der größte Beitrag zum Überleben und zur Entwicklung der chinesischen Nation“.
Nicht einmal das Umweltthema kommt hier ohne Pekings zentrales Propagandanarrativ zu Tibet aus. Selbst in diesem Kapitel muss offenbar die Besetzung des einst unabhängigen Landes Tibet durch chinesische Truppen geleugnet werden.
Verräterisch ist auch der folgende Satz: „Die Region setzt sich für die Erhaltung der Harmonie zwischen Mensch und Natur bei der Modernisierung ein.“ Damit legen die chinesischen Autoren einen klaren Akzent auf die Verwandlung Tibets im Sinne ihrer wirtschaftlichen und politischen Ziele.
Oberstes Ziel ist „Modernisierung“, nicht Erhalt der bestehenden Natur
Nicht der Erhalt, die Bewahrung der Natur steht bei ihnen im Mittelpunkt, nein, es geht um die „Modernisierung“. Darin spiegelt sich ein fundamental anderes Verhältnis der chinesischen Kommunisten zur Natur.
Während die Tibeter sich selbst seit Jahrhunderten als Teil der Natur betrachten, will die chinesische KP diese beherrschen und ausbeuten. Bis heute hat sich am Machbarkeitswahn der KP nichts geändert, wie sich nicht zuletzt am mit enormen Risiken behafteten Bau zahlreicher Megastaudämme in Tibet zeigt.
Darüber hinaus zerstört der Bau solcher Dämme unwiederbringlich ganze Dörfer und wertvolles Kulturgut, wie zum Beispiel jahrhundertealte buddhistische Klöster. Bis zu 1,2 Millionen Tibetern droht so die Vertreibung aus ihrer Heimat.
Pekings Ressourcenhunger bedroht tibetische Lebensgrundlagen
Generell sind die Tibeter die Leidtragenden der chinesischen Wirtschaftspolitik. Pekings Ressourcenhunger bedroht ihre Lebensgrundlagen massiv. So geht die zwangsweise Ansiedlung tibetischer Nomaden mit der Ausweisung riesiger Flächen als Nationalparks einher.
Die chinesischen Machthaber wollen ca. ein Drittel der Fläche der sogenannten „Autonomen Region Tibet“ entsprechend umwidmen. Demnach sollen insgesamt gut 400.000 Quadratkilometer (mehr als die gesamte Bundesrepublik Deutschland) in Chinas Nationalparkplan aufgenommen werden. Dies dürfte den Lebensraum der Tibeter und ihre den Gegebenheiten des tibetischen Hochlands perfekt angepasste Weidewirtschaft weiter einschränken.
Systematische Verfolgung tibetischer Umweltverteidiger
Wie verlogen Pekings angebliches Umweltschutzengagement in Wahrheit ist, zeigt sich deutlich am Umgang mit echten Umweltschützern. Denn tibetische Umweltverteidiger werden von den chinesischen Behörden systematisch verfolgt. Ein im Juni 2022 veröffentlichter ICT-Bericht dokumentiert insgesamt 50 Fälle tibetischer Umweltverteidiger, die seit 2008 verfolgt wurden, lange Haftstrafen erhalten haben und häufig Folter und Misshandlung erleiden.
Und erst im vergangenen Herbst sorgte der Fall von Tsongon Tsering für Aufsehen. Der 29-jährige Tibeter machte auf der Social-Media-Plattform WeChat auf massive Umweltschäden in seiner osttibetischen Heimatstadt Tsaruma aufmerksam. In seinem Video-Statement prangerte Tsongon Tsering illegalen Rohstoffabbau durch ein chinesisches Unternehmen an.
Doch statt nun selbst gegen die Firma vorzugehen, nahmen die chinesischen Behörden den tibetischen Umweltaktivisten fest. Wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ verurteilte man ihn zunächst zu acht Monaten Haft. Als er sich weigerte, sich schuldig zu bekennen, ließen die Machthaber die Strafe auf 16 Monat verdoppeln.
So sieht er also in Wahrheit aus, Pekings „vollständiger und wirksamer Schutz der Umweltrechte“ in Tibet.